LINUX auf einem TC241W Thin Client?

Posted on So 20 November 2022 in Computer & Electronics

Landläufig sagt man Windows ja nach ein rücksichtsloser Ressourcenfresser zu sein. Jeder der schonmal versucht hat Windows auf einem Rechner zu betreiben, der exakt den offiziellen Minimalanforderungen genügt, weiß, dass das kein Spaß ist. Microsoft weiß das natürlich auch, aber es ist auch verständlich, dass sie am Markt der Uraltcomputer nur wenig interessiert sind. Etwas anders sieht die Sache aus, wenn das betreffende Gerät ein Thinclient ist – der soll ja keine großen Funktionen haben, sondern nur einen Remote-Login ermöglichen. Und so gab es früher sowas wie Windows 7 embedded – also ein ordentlich abgespecktes Windows für solche Teile. Heute gibt's das nicht mehr separat, aber dennoch kann man z.B. ein extrem abgespecktes Win10 vom normalen Installationsmedium aufspielen.

Um alten Computern zum normalen Gebrauch neues Leben einzuhauchen, kann man aber LINUX installieren und ein sparsames Desktop Environment verwenden. Auf diese Weise werden auch uralte Gurken oft wieder richtig benutzbar. Diese Strategie verwenden auch viele Organisationen, die gespendete alte Computer auf diese Weise für die Empfänger wieder flott machen. Auch bei uns gibt es so einen Verein und kürzlich habe ich auf diesem Weg diverse Hardware einem vernünftigen Zweck zugeführt, die bei mir nur so lange Staub gesammelt hätte, bis ich sie dann doch irgendwann entsorgt hätte.

Thinclient Challenge

Wie es der Zufall so will habe ich gerade ganz frisch eine ganze Ladung ausrangierte Thinclients in die Hände bekommen. Solchen Geräten kann ich bekanntermaßen nicht widerstehen und habe sie, zum Verdruss meiner Frau, nun im Wohnzimmer stehen.

Konkret handelt es sich um Samsung TC241W Thinclients und die haben eine Besonderheit: Das sind All-in-one Geräte, also 24" Monitore mit integriertem Thinclient. Sehen für ihr Alter noch erstaunlich modern aus und kamen mit Win 7 embedded 32bit.

Die Ausstattung ist erwartungsgemäß moderat:

  • AMD G-T40N CPU, dual core, 1GHz
  • 2 GB RAM
  • 8 GB SSD
  • AMD Radeon HD 6250 Grafik
  • 24" Bildschirm, 1920x1080
  • 2 Lautsprecher integriert
  • 4x USB2.0
  • DVI out
  • RS232
  • Gigabit LAN
  • Audio Line in, mic, headphone
  • VGA in

RAM und Disk kann man ja tauschen, aber die CPU wird wohl der totale Engpass werden. Passmark gibt dem Prozessor sagenhaft jämmerliche 299 Punkte. Mein aktuelles Laptop ist 50 mal schneller und selbst mein HP T520 Thinclient bringt doppelt so viel Wumms. Wobei letzterer sich als Minimal-Server für eine Homeassistant-Installation erstaunlich gut schlägt.

Schmalspur Desktop-Computer

Bleibt die Frage, was man mit denen noch sinnvolles machen kann. Und so will ich mal testen, ob man auf so eingeschränkter Hardware ein Desktop Linux System zum Laufen bekommt und ob das so schmerzhaft in der Benutzung ist, wie ich es mir gerade vorstelle.

Tatsächlich wollen wir das mal mit Xubuntu versuchen. Also garnicht sooo minimal. Bin gespannt, ob es sich auf so wenig Disk überhaupt installieren lässt...

Also den Installations-Stick einstecken, einschalten und dann im Windows Shift-Reboot. Dann wie verrückt Esc, F1, F2 und so drücken und hoffen, dass uns das ins BIOS bringt. Tut es – gut. Dort den USB-Stick zum präferierten Boot-Device machen und neu starten.

Und tatsächlich bootet er vom Stick und die Xubuntu Installation nimmt ihren Lauf. Allerdings hat das Teil keinen Wlan-Adapter und ich keine Lust ein Ethernetkabel zu holen und so musste der Installer erstmal darauf verzichten, die Pakete zu aktualisieren. Aber egal – zum ersten Testen soll es reichen.

Usability Test

Also eine richtige Rakete ist er nicht geworden – das kann ich gleich sagen.

Der Boot-Vorgang ist mit nur 38s bis zum Login-Screen noch erfreulich schnell. Login hingegen finde ich schon eher grenzwertig: zwar reagiert er sofort nach der Passworteingabe, aber bis der Desktop dann wirklich komplett mit allen Icons und Gedöns da ist vergehen satte 20 Sekunden. Spritzig ist anders.

LibreOffice Writer braucht so 9 bis 10 Sekunden bis es komplett betriebsbereit ist und Firefox ohne irgendwelche Plugins 11 Sekunden.

Sobald die Anwendungen aber geöffnet sind reagieren die Menüs recht prompt und fühlen sich fast normal an. Sobald man irgendwas intensiveres anfordert dauert es dann halt wieder ein bisschen.

Internet surfen geht schon, aber Firefox rendert eher gemütlich. YouTube funktioniert auch einigermaßen: Am Anfang jedes Videos ist ein bisschen Geduld gefragt, aber dann kann man ganz ok zusehen.

Speichersituation

Als nächstes habe ich mal in der Bastelkiste nach einem USB-Wlan-Adapter gegraben und dann alle Pakete updaten lassen. Während das Update lief ist ihm eigentlich komplett der Festplattenplatz ausgegangen; irgendwie hat er es dennoch geschafft das komplett durchzuziehen ohne abzuschmieren. Im Anschluss habe ich noch schnell mit sudo apt clean wieder ein bisschen Platz gemacht. Von der 7GB SSD gehen 0.5GB für die Boot-Partition drauf und uns bleiben auf /dev/sda1 noch 1.3GB zur freien Verfügung. Wenn das kein Luxus ist. D.h. die Festplatte ist ein ziemlicher Flaschenhals bei der ganzen Sache – mit den 2GB RAM scheint das System ganz gut zurecht zu kommen, solang wir uns auf ein bisschen Schreiben, Email lesen und Web Surfen beschränken, aber eigene Dateien sollten wir uns eher nicht wünschen...

Zweiter Versuch: Debian i386 (32bit)

Nun war es vielleicht keine so gute Idee, auf so schwacher Hardware ein 64bit System zu installieren. Also versuchen wir mal 32bit. Aber (X)Ubuntu unterstützt das nicht mehr. Also greifen wir zum guten alten Debian.

Die Installation verlief gewohnt problemlos. Im Gegensatz zu Ubuntu ist Debian von Haus aus aber frei von unfreier Software. Wir brauchen aber die nicht ganz so freien AMD Radeon Firmware, damit die Grafikkarte vernünftig geht. Also:

sudo vi /etc/apt/sources.list

Und dort bei den ganzen deb Zeilen am Ende noch contrib non-free hinzufügen und schon können wir das nötige nachinstallieren:

sudo apt update
sudo apt install firmware-amd-graphics

Rechner neu starten und schon sieht das alles manierlich aus.

Wirklich schneller ist er dadurch nicht geworden – war ja auch nicht zu erwarten. Dafür sieht es nun besser aus in Sachen Festplatte: Wir haben nun unglaubliche 2.2GB zur freien Verfügung. Allerdings installiert Debian standardmäßig auch weniger Software.

Hackability

Na dann wollen wir dem Gerät mal ins Innere blicken. Das ist allerdings garnicht so einfach, denn im Gegensatz zu meinen alten HP-Thinclients ist dieser von Samsung nicht sehr wartungsfreundlich! Man muss ziemlich am Plastikgehäuse rumbasteln, um selbiges auf zu bekommen. Dazu legen wir den Monitor mit dem Screen nach unten auf den Tisch. Als nächstes brauchen wir so einen flachen Mini-Spatel (aka Spudger):

Metall-Hebel-Werkzeug aka spudger
auf dem Holztisch

Den setzen wir nun an verschiedenen Stellen in die Fuge zwischen den beiden Hälften des Plastikgehäuses und tasten uns langsam seitlich vor bis eine besonders enge, feste Stelle kommt. Dort hebeln wir nun vorsichtig, aber auch energisch bis das obere Plastikteil mit einem leichten Knacken oder Krachen aus der Halterung springt. Auf diese Weise arbeiten wir uns rund ums gesamte Gehäuse bis wir die hintere Plastikabdeckung abnehmen können und mit dem nüchternen Anblick der blechernen Rückseite belohnt werden:

View from the bac of the opened case.

Nachdem das endlich geschafft ist müssen wir nun die Blechabdeckung entfernen. Dazu ziehen wir erstmal die beiden kleinen Stecker, die man am unteren Bildrand sieht. Nun lässt sich der Blechdeckel leicht entfernen und nach oben klappen, darin findet sich die Elektronik:

Blick auf Netzteil und Mainboard.

Links ist das Netzteil zu sehen und rechts das Mainboard – jeweils von hinten. Um an die Vorderseite zu gelangen, müssen wir die vier Schrauben in den Ecken lösen und auch die Schauben DVI und RS232 Port, sonst bekommt man das Board nicht heraus. Und hier ist die Vorderseite:

Mainboard Vorderseite

Wie man sieht, sieht man nicht viel: Ein riesen CPU-Kühler, die ganzen Anschlüsse, ein einzelner Slot für den RAM-Riegel und ein mini-PCIe Slot mit der SSD drin.

Upgrade

Nun könnte man auf den abwegigen Gedanken kommen, das Ding aufzurüsten – z.B. mit 8GB und einer 128GB SSD. Die wären für 32€ bzw. 22€ online zu haben. Das würde natürlich kein normal denkender Mensch machen.

Aber falls man es doch tun sollte und dann wieder ein Debian installiert würde man folgendes sehen:

$ df -h
Filesystem      Size  Used Avail Use% Mounted on
udev            3.9G     0  3.9G   0% /dev
tmpfs           785M  1.2M  784M   1% /run
/dev/sda1       116G  3.3G  107G   3% /
tmpfs           3.9G     0  3.9G   0% /dev/shm
tmpfs           5.0M  4.0K  5.0M   1% /run/lock
tmpfs           785M   52K  785M   1% /run/user/1000


$ free -h
               total        used        free      shared  buff/cache   available
Mem:           7.7Gi       237Mi       7.1Gi       1.0Mi       330Mi       6.8Gi
Swap:          975Mi          0B       975Mi

Und wie benutzbar fühlt sich das Ganze nun an?

  • Zeit für Boot: 38s
  • Startzeit LibreOffice: 9s
  • Firefox: 12s

Hm. Im Klartext: Die Aufrüstung bringt garnichts in Sachen Geschwindigkeit. Schade.

Fazit

Man kann auf dem Gerät in der Tat einfache Arbeiten machen, aber man sollte schon ein eher geduldiges Gemüt haben. Die mikroskopische SSD ist unangenehm, kann aber getauscht werden, ebenso wir das RAM. Aber gegen die unterirdisch langsame CPU ist kein Kraut gewachsen.

Auf der Plus-Seite ist zu bemerken, dass der Bildschirm durchaus OK ist – die Auflösung passt und auch der Kontrast ist in Ordnung. Am besten wäre es wohl, den eingebauten Thinclients still zulegen und durch einen Raspberry Pi oder besseren Thinclient zu ersetzen. Nur schade, dass es nur einen VGA-Eingang gibt und nichts digitales. Vielleicht würde es sich lohnen, das interne Video-Flachbandkabel zu nutzen – vielleicht ist es DVI? Aber das muss warten – vielleicht gehe ich das ein anderes mal an. Und der VGA-Eingang wartet auch noch darauf, mal getestet zu werden.

Alles in Allem würde ich sagen, man kann die Kiste für kleine Projekte verwenden, die entweder ganz ohne GUI auskommen, oder eine sehr einfache Anwendung erfordern: als Linux-basierter Kiosk, interaktives Kunstwerk oder sowas. Als Desktop Computer ist er nicht zumutbar.