Neues Handy – aus Fernost

Posted on Fr 08 Januar 2021 in Computer & Electronics

Ich brauche mal wieder ein neues Handy! D.h. eigentlich war ich mit meinem Samsung J7 recht zufrieden – es lief brav, der Akku hält ewig, Dual-SIM und SD-Karten-Slot sind extrem praktisch und das Display reicht mir allemal. Warum also ein neues? Weil es nur unglaubliche 16GB internen Speicher hat und sich der ganze vorinstallierte Mist, wie z.B. Chrome, Excel (!), Facebook sowie die ganzen unglaublich unnützen Galaxy-Apps nicht löschen lassen – danke Samsung! Und nun geht mir langsam aber sicher der Speicher aus. Ja – ich habe schon alle Daten auf der SD-Karte liegen und verschiedene App-Daten dorthin ausgelagert. Reicht aber nicht aus und das Teil ist dadurch unerträglich langsam geworden. Dabei habe ich nichtmal sehr viele Apps.

Also rooten, dachte ich. Das hatte ich früher mit meinem LG-Handy auch gemacht und damit wurde es um einiges nützlicher. Aber leider ist es mir trotz vieler Bemühungen nicht gelungen, obwohl ich wirklich viele Tutorials befolgt habe – am Ende war jedes mal wieder fröhliches ROM-flashen mit heimdall angesagt, um es überhaupt wieder zum laufen zu kriegen. Und davon habe ich nun die Nase voll!

Nachfolger suchen

Also erstmal informieren, was sich aktuell auf dem Handymarkt so tummelt. Eine neue Version vom J7 scheint es nicht zu geben und ein S20 rangiert je nach genauem Modell im klassischen Schnäppchenbereich zwischen 585 und 1100€. Ja spinnen die denn? Ich zahl doch nicht so viel Geld für ein blödes Handy!

Aber es gibt ja auch andere Marken – z.B. Xiaomi. Die sind garantiert 100% chinesisch und haben eine Flut verschiedener Geräte im Angebot – zu extrem guten Preisen. Am Ende gefiel mir das Redmi Note 9 pro am besten und es ist für gute 200 Euro zu haben.

  • Snapdragon 720G, 2.3 GHz octa-core
  • 6GB RAM
  • 64 oder 128GB internal SD
  • Dual-SIM
  • SD-Slot
  • Riesen-Akku mit 2 Tagen Laufzeit (5020Ah)
  • 6.67" Display, 2400 x 1080
  • 3.5mm Klinkenbuchse f. Headset
  • USB-C
  • Fast charging, 33W Charger im Lieferumfang
  • 4G, Wifi, Buetooth, NFC, IR
  • GPS, GLONASS, Accelerometer, Kompass

Klingt gut. Angeblich soll auch die Herde von Kameras, die es hat ganz gut sein, aber das ist mir wurscht, denn wenn ich Fotos und nicht nur Schnappschüsse will, dann nehme ich eine richtige Kamera und kein Telefon.

Als es geliefert wurde war ich allerdings erstmal wenig angetan, denn die Farbe "Interstellar grey" entpuppte sich als ziemlich schräges Metallic-Blau. Ideal für Teenager, aber wirklich nicht mein Fall. Auf den Produktfotos hatte das anders ausgesehen. Leider sind die Alternativen "glacier white" und "tropical green" und die kommen nun garnicht in Frage! Also habe ich mich erstmal abgeregt und dann erfreut festgestellt, dass die beiliegende Silikonhülle die gruselige Farbe suffizient verdeckt.

Ein wenig herumgespielt habe ich auch mit dem Teil. Fühlt sich im Großen und Ganzen recht vernünftig an und die Oberfläche macht keinen unangenehmen Eindruck.

Big Brother

Wer allerdings in letzer Zeit nicht unter einem Stein gelebt hat, der wird beim Namen Xiaomi aufhorchen – waren das nicht die, die unverfroren alle Daten, die sie in die Finger kriegen, nach China morsen um sie dort an Dämonen zu verkaufen? Oder was auch immer sie genau damit tun... Ja – genau die sind das! Also schlug erstmal der Fingerweg-Instinkt zu.

Aber vielleicht kann man dem ja mittels Blokada oder einer Firewall Einhalt gebieten? Das ist einen Versuch wert, fand ich. Also hab ich eins bestellt.

Zunächst habe ich es ohne SIM gestartet, kein Google-Konto verknüpft und Blokada5 installiert, um mal zu schauen, was passiert. Das:

Blokada screenshot

Da hat jemand aber echt Sehnsucht nach Zuhause! Blokada scheint das ja offenbar erfolgreich zu blockieren, aber sehr sympatisch macht es mir das ganze nicht.

Als nächstes habe ich mal die Developer-Funktionen freigeschaltet, USB-Debugging aktiviert und OEM-Unlocking eingeschaltet, um das Ding rooten und ein paar MIUI-Apps und anderen Bodensatz entfernen zu können.

Bei der Option install via USB ist mir dann erneut die Galle übergegangen: Das Teil besitzt die Frechheit, diese Funktion nur zuzulassen, wenn ich mir einen MI-Account anlege und in diesen einlogge. Und so war ich schon kurz davor, es wieder einzupacken und zurück zu schicken. Doch dann dachte ich mir – geh einfach den nächsten Schritt...

Alternative Persönlichkeiten

Nächste Eskalationsstufe: ein alternatives ROM flashen. Derer gibt es viele. Z.B. das altbekannte LineageOS, vormals CyanogenMod, aber auch viele andere. Und eine kleine Web-Recherche ergibt, dass Xiaomi Geräte sich nicht sehr gegen Root-Versuche wehren und es sogar eine offizielle ROM-Flash Applikation und einen Bootloader-Unlocker gibt – natürlich nur für Windows.

Francesco Tescari hat aber auch eine open source Software gebaut, die unter Windows, MacOS und LINUX läuft und wohl die komplette Funktionalität des Originals abbildet: XiaoMiToolV2 und ein gewisser Iceman bietet ein weiteres tool an. Das finde ich nun löblich, von den Entwicklern, aber auch von Xiaomi – da hatte Samsung mir mehr Hürden in den Weg gelegt.

Aber welches ROM soll ich nehmen? LineageOS? RevengeOS? EvolutionX? Pixel Experience? Da schwirrt einem ja der Kopf! Ich hatte mich schon fast auf LineageOS festgelegt, als ich entdeckte, dass es noch einen Zwischenweg gibt, der einen Versuch wert erscheint: Offenbar gibt es eine ziemlich große Xiaomi Fangemeinde und die hat tatsächlich ein ROM gebaut, das auf dem chinesischen MIUI-Original basiert, aber angeblich die ganzen Zumutungen rausgeworfen hat: xiaomi.eu. Das verspricht natürlich gute Funktionalität bei gleichzeitigem Schutz vor Schmutz. Also ausprobieren!

Hirntransplantation

Als nächstes brauchen wir nun leider wirklich einen MI-Account, denn ohne den kann man den Bootloader nicht entsperren. Das ist zwar etwas nervig, aber es zwingt mich ja niemand, den Account später wieder einzurichten.

Wir verwenden das oben bereits genannte XiaoMiToolV2 von Francesco Tescari. Damit geht das eigentlich super simpel.

Vorbereitungen

Als erstes müssen wir ein paar Dinge freischalten, damit die Operation gelingt:

  1. Developer werden
    Settings/About phone/ dort so lange auf die MIUI Version auf der rechten Seite tippen, bis er sagt "you are now a developer"
  2. USB-Debugging & Co aktivieren
    Settings/Additional settings/Developer options/
    • Developer options : on
    • OEM unlocking : on
    • USB debugging : on

ROM flashen

Als erstes verbinden wir das Handy via USB mit dem Rechner und starten das XiaoMiTool:

./XMT2_Linux_20.7.28.run

Nun werden wir vom Hauptmenü begrüßt und wählen die erste Option:

Start menu

Das Handy wird nun erkannt, wir wählen es aus und bekommen etwas detaillierte Infos:

Device seletion Device information

Dann bootet er das Handy in den Recovery mode und wir wählen "connect with MIAssistant" aus.

reboot to recovery

In den beiden nächsten Menüs wählen wir nun Custom ROM, unofficial und Xiaomi.eu:

select ROM type select ROM

Und hier kommt's – nun müssen wir uns in unseren "Mi-Account" einloggen, damit das Tool bei Xiaomi irgendeinen unlock-Code oder sowas anfordern kann, ohne den nix geht. Das dient vermutlich zur Unterbindung von Unlocks in bestimten Ländern oder bei Handys, die an einen bestimmten Netz-Provider gebunden sind (Z.B. gesponsorte Handies).

Login to MI-account Activity log

Einmal noch bestätigen, dass wir das wirklich und ganz ganz ehrlich machen wollen ...

Unlock confirmation page

Na das war doch wirklich einfach! Und schon bekommen wir:

Unlocking failed

GRUMPF!!! Nee – echt jetzt!?!

Ich habe viel rumrecherchiert und keine echte Lösung gefunden, außer evtl. den Qualcomm Flash Image Loader zu verwenden (QFIL). Das habe ich kurz in Erwägung gezogen, aber es klang nicht so, als würde das ein Spaziergang. V.a. müsste man erstmal ein ROM im MBN-Format finden und ich bin mir auch garnicht sicher, dass das Ganze überhaupt funktioniert, ohne vorherigen Unlock.

Also heißt es warten. Eine verfluchte Woche warten!

Fortsetzung folgt ...