Thinclient Stromverbrauch

Posted on So 29 August 2021 in Computer & Electronics

In einem früheren Post hatte ich beschrieben, wie ich einen HP T610 plus Thin Client in eine OPNsense Firewall verwandelt habe. Die verwende ich aktuell gerade nicht mehr, aber ich bin daraufhin gefragt worden, wieviel Strom das Ganze eigentlich zieht. Und so habe ich den Thin Client rausgekramt und wollte mal schnell nachmessen.

Netzteil-Havarie

Allerdings gestaltete sich das komplexer, als erwartet, denn er wollte nicht hochfahren. Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass doch tatsächlich die Netzkabelbuchse am Netzteil den Geist aufgegeben hatte: Die drei Pins standen krumm und schief in der Buchse, die hinten gebrochen war.

Mist! Aber ich habe ja noch das Netzteil von meinem T520 rumliegen – das sollte auch passen. Leider handelt es sich dabei um ein 65W Netzteil, während das Original 90W liefern kann. Und das hat der Thin Client natürlich gemerkt (der Stecker hat einen Sense-Pin) und anstatt zu booten wurde ich mit vier Pieptönen und rotem Blinken des Einschaltknopfs bedacht.

Also anders. Erstmal die Kiste mit den alten Netzteilen durchwühlen. 19V Netzteile waren schon einige dabei, aber keines mit passendem Stecker. Nun könnte ich den Stecker transplantieren und den Widerstand für den Sense-Pin passend einlöten, aber für einen schnellen Test habe ich erstmal einen anderen Weg eingeschlagen.

Erstmal Netzteil öffnen. Leider haben heutige Netzteile keine Schrauben mehr, also Gehäuse knacken. Das geht eigentlich ganz einfach: Seitlich auf die Werkbank legen und mit einem dicken fetten Schraubenzieher an der Naht in der Mitte ansetzen. Mit leichten Hammerschlägen auf den Schraubenzieher Schritt für Schritt die Klebenaht rundum sprengen und dabei nicht zu grob sein, damit nichts absplittert. Wenn man das gut macht lässt sich das Gehäuse am Ende wieder mit Plastikkleber verschließen und man sieht nix.

Interessanterweise haben Netzkabel für Kompaktnetzteile ja seit vielen Jahren immer drei Leitungen, also inklusive Schutzleiter – dieser war im Inneren jedoch nirgends angeschlossen ...

Nun die zerbröselte Buchse rausnehmen und die Pins ablöten.

Dann den Stecker vom Netzkabel abtrennen, abisolieren und anlöten. Schrumpfschlauch zur Isolation nicht vergessen.

Netzteil wieder zusammenbauen und unserer Leistungsmessung steht nichts mehr im Wege.

Stromverbrauch messen

Dazu habe ich so ein günstiges Verbrauchsmessgerät (Voltcraft 4500 Advanced). Also selbiges in die Steckdose, Thin Client einstecken und booten. Diesmal fuhr er brav hoch ohne zu murren. Anfangs schwankt der Verbrauch noch ziemlich, aber sobald alles schön hochgefahren ist hat er sich dann bei 21.2 W eingependelt. Allerdings sind auch eine zusätzliche SSD, sowie eine 4-Port Server-Netzwerkkarte eingebaut. Mal sehen, wieviel die ausmachen. Und zum Vergleich noch der Verbrauch meines T520 (wobei das evtl. auch ein T620 ist – das Typenschild ist mehrdeutig. Gekauft habe ich ihn jedenfalls als T520).

Konfiguration Verbrauch (idle)
T610 plus 13.7 W
T610 plus + SSD 14.5 W
T610 plus + SSD + Ethernet Karte 21.2 W
T520 8 W

D.h. die Ethernetkarte braucht vergleichsweise viel Strom. Nun ist das ohne jede Last. Für einen Homeserver bzw. die heimische Firewall ist das vermutlich der relevante Wert, denn in diesem Zustand befindet sich das Gerät wohl die meiste Zeit. Aber es wäre natürlich interessant zu wissen, wie hoch man den Verbrauch treiben kann.

Also wollen wir das Ding mal ein bisschen stressen und schauen, wieviel Strom er dann gerne hätte. Dazu installieren wir uns stress-ng und machen mal ein bisschen Druck auf den Kessel:

apt install stress-ng
stress-ng -a 0

Die Option -a 0 sorgt dafür, dass für jeden Prozessorkern Stress bereitet wird. Und in der Tat bricht ein bisschen Stress aus, wie man an den ersten Zeilen des Outputs von top leicht erkennen kann:

top - 19:25:57 up 14 min,  2 users,  load average: 705.59, 385.15, 150.64
Tasks: 618 total, 254 running, 345 sleeping,   0 stopped,  19 zombie
%Cpu0  :  0.5 us, 72.8 sy, 26.7 ni,  0.0 id,  0.0 wa,  0.0 hi,  0.0 si,  0.0 st
%Cpu1  :  3.1 us, 69.5 sy, 27.2 ni,  0.0 id,  0.0 wa,  0.0 hi,  0.2 si,  0.0 st
MiB Mem :   3398.2 total,   1712.5 free,   1229.5 used,    456.1 buff/cache
MiB Swap:    976.0 total,    972.5 free,      3.5 used.   1693.4 avail Mem

Ein load average von >700 fällt nun wirklich in die Kategorie Stress – zum Vergleich: wenn ich einfach nur via ssh eingeloggt bin und nichts besonderes mache, bekomme ich:

load average: 0.00

Und wieviel Strom braucht er nun unter Stress? Knapp 32 W. Das ist weniger, als ich erwartet hatte. Aber warum will das Gerät dann ein 90W Netzteil haben? Die Erklärung kann eigentlich nur darin liegen, dass es hier um Leistungsreserven für weitere angeschlossene Peripherie geht. Vielleicht eine besonders stromfressende Grafikkarte oder Festplatte und diverse USB Geräte, die mit Strom versorgt werden wollen. Grafikkarten sind echte Stromfresser: Im Netz habe ich Werte bis zu 300 Watt für high-end Gaming Karten gefunden. Festplatten scheinen eher im Bereich von 3 - 11 Watt zu liegen. Außerdem verfügt der Thin Client über insgesamt vier USB-2 und zwei USB-3 Anschlüsse, die jeweils mit 2.5 W bzw. 4.5W spezifiziert sind – in Summe sind das auch nochmal bis zu 19 W.

Kosten

Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft kostete eine Kilowattstunde Strom im Juli 2021 durchschnittlich 31.94 Cent. Also kostet unser Thin Client im 24/7 Betrieb ohne Last jährlich

$$\frac{21.2}{1000} kW \cdot 24h \cdot 365 \cdot 0.3194 €/kWh = 59.32 €$$

Ob das nun viel oder wenig ist sei jedem selbst überlassen und das hängt natürlich von der Anwendung ab. Was ich aber schon erstaunlich finde ist der vergleichsweise bescheidene Ruhe-Verbrauch meines Heimservers. Das ist ein HP Micro Server Gen8 mit 2 Festplatten, einer SSD und einem Xeon E3-1270 V2 mit 3.50GHz mit 4 Cores. Meine Eaton USV sagt:

$ upsc eaton ups.realpower
23

Also 23 Watt ohne Last. Wenn ich den nun stresse, geht die load average über 800 und der Stromverbrauch steigt auf 85 W.