Toter eBike Akku

Posted on Wed 24 July 2024 in Computer & Electronics

Heute haben wir hier einen Akku eines eBikes. Selbiges hat längere Zeit unbenutzt herumgestanden und nun weigert sich das Ladegerät, den Akku zu laden. Und so sind Akku und Ladegerät bei mir gelandet mit der Frage, ob da noch was zu machen ist.

Steckt man das Ladegerät an den Akku hört man zwei kurze Piepstöne. Mehr erfährt man nicht, denn es gibt keine Statusanzeige. Was aber schnell auffällt ist ein Defekt der Isolation am Stecker:

Ob das schon unser Problem ist? Mal durchmessen. Zwischen dem äußeren Zylinder und der Innenseite des selbigen liegen 26V an. Das entspricht der Sollspannung laut Aufdruck. Zwischen dem zentralen Pin und den Zylinderseiten des Tonnensteckers gibt es keine Spannung und ich konnte auch keinen Widerstand messen. Vielleicht redet das Ladegerät digital mit dem BMS. Jedenfalls scheint das Ladegerät zu funktionieren. Also nur die offene Stelle mit Klebeband isolieren und weiter zum Akku.

Vermutlich haben sich die Zellen mit der Zeit allmählich entladen und sind nun unter die empfohlene Minimalspannung gefallen. Möglicherweise haben die Zellen nun auch verschiedene Spannungen. Akkupacks enthalten aber nicht nur die Zellen, sondern auch ein Batterie-Management-System (BMS). Selbiges hat die Aufgabe zu erkennen, wenn mit den Zellen etwas nicht stimmt und dann aus Sicherheitsgründen den regulären Betrieb zu verweigern. Wenn wir etwas Glück haben, sind die Zellen aber nicht unwiederbringlich defekt, sondern können manuell, also unter Umgehung des BMS, wieder über die kritische Schwelle geladen werden. Wenn wir aber Pech haben sind alle oder manche Zellen komplett im Eimer.

Apropos Eimer:

Sicherheit

Lithium Ionen Akkus sind normalerweise sehr friedliche Geschöpfe und gut an das Zusammenleben mit dem Menschen angepasst. Fühlt sich eine Lithiumzelle aber bedroht, v.a. wenn sie verletzt ist oder Jungtiere hat, dann kann sie in Ausnahmefällen aggressiv reagieren, überhitzen und im Extremfall in Brand geraten. Da wir im Folgenden in das Revier der Zellen eindringen werden, sollten wir auf einen solchen Fall vorbereitet sein. D.h. wir arbeiten auf einer hitzefesten Unterlage (Silikonmatte, die ich auch gerne zum Löten nehme) und stellen einen Blecheimer mit Deckel bereit. Ein paar Zentimeter Sand am Eimerboden schaden auch nicht und zuguterletzt haben wir ein paar Silikon-Ofenhandschuhe griffbereit, um im Falle eines Falles den heißen Akku in den Eimer schubsen zu können. Dann können wir ihn in Ruhe nach draußen tragen und gefahrlos abbrennen lassen.

Diagnostik

Zuerst müssen wir den Akku mal öffnen. Das war einfach – nur drei Imbusschrauben lösen und die Plastikschale lässt sich auseinander nehmen. Im Inneren finden wir einen Haufen Zellen, die in einem großen schwarzen Schrumpfschlauch verpackt sind und an den Seiten klebt je ein dicker Blob Silikon drauf:

Links sieht man eine kleine Platine – das ist das BMS:

Der Akkupack hat einen Aufkleber mit ein bisschen Information:

Laut Label is das ein 48V Akku in 13s4p Konfiguration. Das heißt, dass er 13 in Serie geschaltete Pakete von je 4 parallelen Zellen enthält. Also insgesamt 52 Zellen. Da wir 13 in Serie haben kommen wir auf 13∙3.7V = 48.1V. Die Parallelschaltung dient dazu, eine höhere Kapazität zu bekommen und die Serienschaltung stellt die hohe Spannung sicher. So sieht das also aus:

Als erstes habe ich nun das Zellenpaket vom BMS abgezogen. In die positive Leitung ist eine 30A Sicherung eingeschleift. Eine kurze Prüfung ergibt, dass die in Ordnung ist.

Als nächstes die Ausgangsspannung des Akkupacks messen: 0.562V. Hm – das ist sehr wenig. Bei vollem Akku sollten bis zu 4.2V pro Zelle anliegen und unter 2.5V sollte die Zellenspannung nicht sinken, also erwarten wir so 32.5 bis 54.6V.

Vom BMS gehen 14 dünne Überwachungsleitungen zu den Viererpacks – eine an Minus, der Rest an die Pluspole der dreizehn Vierpacks. So weiß das BMS immer, welche Spannung auf den einzelnen Packungen anliegt. Und genau die wollen wir nun mal mit dem Multimeter überprüfen. Dazu muss die Schrumpfverpackung weg. Also aufschneiden und die Zellen freilegen:

Immerhin: das sind 18650er Zellen von Samsung. Also vernünftige Qualität.

Aber die Prüfung der Spannungen ist ernüchternd. Wir messen jeweils gegen Minus. Ergebnisse in aufsteigender Reihenfolge:

Nr. Spannung [V]
1 0.015
2 0.035
3 0.047
4 0.075
5 0.116
6 0.12
7 0.163
8 0.224
9 0.33
10 0.38
11
12
13 0.562

An zwei Leitungen bin ich nicht rangekommen – dazu hätte ich die nächste Verpackungsschicht entfernen müssen und das dürfte unnötig sein, so eindeutig, wie das Ergebnis ist. Das sieht überhaupt nicht gut aus: Die Zellen scheinen samt und sonders tiefentladen zu sein. Ich hatte auf eine Restspannung von 2V oder so gehofft. In dem Fall wäre es den Versuch wert gewesen, die Viererpakete mit dem Labornetzeil bei ganz geringem Strom wieder auf ca. 2.5V zu laden in der Hoffung, dass das BMS sie dann wieder akzeptiert und normal lädt. Aber bei unter einem Volt ist davon auszugehen, dass die Zellen unwiederbringlich hinüber sind und so ein Boosterversuch eher gefährlich ist und eh nix bringt.

Da bleibt nur, alle Zellen auszutauschen und das ist ein teurer Spaß: eine schnelle Online-Suche ergab, dass ich pro Original-Zelle mit ca. 7.50€ rechnen muss – also insgesamt 390€ nur für Zellen. Hinzu kommen dann die Nickelstreifen zum Verbinden und Isolierringe, sowie eine neue Schrumpfschlaufverpackung. D.h. wir kommen auf über 400€. Wenn es auch andere als die Original-Zellen sein dürfen landet man so bei ca 5€ pro Zelle aber auch hier summiert sich das dann immerhin auf 260€ für die Zellen. Das günstigste was ich finden konnte waren 2.73€ pro Zelle unklarer Herkunft – das würde sich lohnen, auch wenn die Qualität unbekannt ist. Aber leider ist auch das keine Lösung, denn ich habe kein Punktschweißgerät und das wäre nötig, um die Nickelstreifen mit den Zellen zu verbinden. Professionelle Anbieter verlangen für den Neuaufbau dieses Modells 360€ – das wäre dann wohl die bessere Option.

Fazit

Schade – diese Reparatur ist nix geworden. Aber der Ausflug in die Akkutechnik war trotzdem spannend. Vielleicht wird's ja beim nächsten mal was....