8858 Heißluft "Station"

Posted on Sa 28 Dezember 2024 in Computer & Electronics

Manchmal muss man Zeug auslöten und wenn es sich dabei um SMD Bauteile handelt, dann ist ein Lötkolben nicht die erste Wahl. Deshalb habe ich eine Heißluftstation (Aoyue 852A++) – die war damals ziemlich billig und ist sicher nicht das Gelbe vom Ei, aber sie funktioniert einigermaßen. Hin und wieder liebäugle ich mit dem Gedanken, mir eine moderne von Atten oder Quick zuzulegen, aber bisher hat die alte gereicht.

Neuerdings hatte ich aber manchmal das Bedürfnis nach einer mobilen Lösung (Repair-Cafe) und da will man keine ganze Heißluftstation rumschleppen. Also habe ich mich mal umgesehen und bin auf Aliexpress fündig geworden. Die Beschreibung Hot air gun 8858 Micro Rework soldering station LED Digital Hair dryer for soldering 650W Heat Gun welding repair tools Heat Gun klingt natürlich vielversprechend und der Preis war sehr verlockend.

Ja – kann gut sein, dass sie Müll ist, aber das wollte ich ausprobieren und ich will sie ja auch nicht verwenden, um Laptopprozessoren zu wechseln, sondern eher für Kleinkram, wie den gelegentlichen MOSFET oder Kondensator oder auch mal für Schrumpfschlauch.

Erster Eindruck

Was bekommt man also für so kleines Geld? Zunächstmal ein Handstück, in das der Ventilator für den Luftstrom eingebaut ist. Selbiges wird über einen 8-poligen Stecker angeschlossen. Die Stromversorgung und Regelung erfolgt dann über ein externes Netzteil, das größenmäßig an übliche Laptopnetzteile erinnert, aber auch ein Display und drei Folientasten zur Einstellung von Temperatur und Luftstrom beherbergt. Außerdem bekam ich drei verschiedene Düsen, ein Ersatz-Heizelement und eine Ablage für das Handstück.

Laut Hersteller hat das Ding eine Leistung von max 700W, anderswo steht 100-650W Heizleistung. Die Temperatur lässt sich auf Werte zwischen 100 und 480 °C einstellen. Das Gebläse schaltet man in Stufen von 1 bis 10.

Die Düsen werden aufgesteckt und haben eine Art Bajonettverschluss, der allerdings wenig vertauenerweckend wirkt. Aber sie halten.

Innenleben

Also erstmal Gehäuse aufmachen. Das ist unerwartet einfach, denn es gilt nur, vier Philips Schrauben zu lösen und schon sind wir drin. Keine Verklebung oder irgendwelche "Tamper-Proof" Albernheiten. Deckel ab und schon sehen wir die Platine:

Insgesamt recht aufgeräumt. Und freundlicherweise sind alle Buchsen ordentlich beschriftet – das macht das Leben leichter. Zum Handstück gehen 8 Leitungen. Zwei davon sind merklich dicker als die anderen – die dürften für die Heizung sein. Zwei steuern vermutlich das Gebläse und zwei gehören zum Temperatursensor. Der PE Anschluss ist ebenfalls zum Handstück geführt und der achte Pin dürfte zum Magnetschalter gehen, der das Gerät abschaltet, wenn man das Handstück in die Halterung legt.

Messen wir mal nach, wieviel Spannung da verwendet wird. Die Heizung wird mit 240V betrieben, während der Lüfter nur 12 V bekommt. Auf der Platine kann man gut den dicken Triac sehen, der das Heizelement steuert – leider ist er unbeschriftet, so dass man im Falle einer Reparatur Spaß haben wird.

Test

Also probieren wir das Ding mal aus. Die Verarbeitung fühlt sich erwartungsgemäß eher billig an, aber nicht unterirdisch.

Sicherheit

In der Vergangenheit hatte ich ein paar "interessante" Erlebnisse bezüglich Sicherheit bei Billigimporten technischer Geräte. Deshalb prüfen wir zunächst mal grob, ob zu erwarten ist, dass wir bei der Benutzung tot umfallen oder nicht. Ich habe keinen richtigen Gerätetester, aber zumindest schauen wir mal ein paar Basics an:

  • Es sind keine Schäden zu erkennen und auch keine exponierten Teile, die so aussehen, als sollen sie Strom führen.
  • Das Netzkabel hat einen Schutzleiterkontakt und mündet in einen Kaltgerätestecker.
  • Es gibt zwei offenliegende Metallteile: die Überwurfmutter am Stecker ist nicht an den Schutzleiter angeschlossen, das Metallrohr des Handstücks schon. Ich messe ca. 0.4-0.5Ω bis zum Schutzleiter am Netzstecker.
  • Im eingeschalteten Zustand messe ich am Metallrohr so ca. 10-50 mV (AC) gegen den Schutzleiter und einen Strom von < 1 µA (AC). Im DC Modus messe ich garkeine Spannung oder Strom.

Die Widerstandswerte sind vermutlich überschätzt, denn ich hab das mit normalen Prüfspitzen gemacht und bei so kleinen Werten macht es einen großen Unterschied, wie groß die Kontaktfläche ist und wie gut man andrückt.

Ich bin keine Elektrofachkraft, aber ich hätte das Gerät nach obigen Erkenntnissen in Schutzklasse I eingeordnet und dann sollten nach meinem Verständnis auch Buchsengehäuse und Überwurfmutter geerdet sein. Im Großen und Ganzen erscheint mir der Betrieb aber sicher.

Bedienung

Sobald das Gerät Strom bekommt leuchtet das Display auf ("OFF"), aber das Gerät ist inaktiv. Um es aufzuwecken drückt man Set/ON und schon laufen Heizung und Gebläse an. Beim Aufheizen zeigt das Display dann die aktuelle Temperatur des Heizelements.

Die Temperatur lässt sich einfach durch die beiden Pfeiltasten verstellen. Durch Drücken der Set/On Taste wechselt man zur Gebläseeinstellung. Hält man eine Pfeiltaste länger gedrückt geht sie in den Speed-Modus und man kann zügig die Zieltemperatur einstellen. Positiv ist auch zu erwähnen, dass das Handstück erkennt, ob es in der Halterung liegt, oder nicht und dann die Heizung abschaltet und das Handstück kühlt, bevor das Gebläse dann abschaltet.

Kurz: die Bedienung ist voll OK. Einzig das geringe Gewicht der Halterung stört etwas, denn so fällt sie schnell um und man schiebt sie leicht ungewollt durch die Gegend – ich glaube die ist dazu gedacht irgendwo festgeschraubt zu werden. Vielleicht spendiere ich ihr mal eine kleine Stahlplatte als Fuß, um das zu stabilisieren.

Temperatur

Der Pedant in mir will natürlich eine möglichst perfekte Übereinstimmung zwischen Soll- und Ist-Temperatur. Aber wenn man ehrlich ist, hat das bei einer Heißluftstation eher untergeordnete Bedeutung, da man in der Praxis ohnehin eher heiß loslegt und einfach aufhört, wenn das Lötzinn geschmolzen ist. Dennoch will ich wissen, wie gut die Kalibrierung ist. Nachkalibrieren ist weder in der Firmware vorgesehen, noch findet sich irgendwo etwas zum einstellen auf der Platine.

Also messen: K-Typ Temperatursensor wenige Millimeter vor der Düsenöffnung platzieren und in verschiedenen Einstellungen messen:

Flow \(\vartheta_{set}\) [°C] \(\vartheta_{meas}\) [°C]
3 100 101
3 150 165
3 200 199
6 150 155
6 300 278
6 350 319
6 400 370
9 150 147
9 300 273
9 350 321
9 400 371

Besser als ich erwartet hätte. Erst wenn das Gebläse stärker pustet kommt es zu deutlichen Abweichungen. Es ist noch anzumerken, dass beim Anheizen oder höher schalten die Temperaturanzeige des Displays der wahren Luftstromtemperatur um etliche Sekunden vorauseilt.

Luftstrom

Der Luftstrom ist auch auf höchster Stufe nicht gerade orkanartig. Ich würde das für mein Leben gerne quantifizieren, habe aber kein geeignetes Messgerät. (Schnappatmung setzt ein – mir fehlt ein Messgerät – aaaahhhhh).

Praxistest

Nach all den Trockenübungen ist es nun an der Zeit das Gerät mal im vorgesehenen Einsatzfeld auszubrobieren. Also suchen wir eine alte Platine aus der Bastelkiste und löten mal wahllos ein paar Sachen aus. Einstellung: 380°C, Gebläse auf 9.

Als Erstes habe ich ein paar kleine SMD Kondensatoren ausgelötet – das flutschte wie geschmiert. Als nächstes probieren wir mal einen Atmega 8 (TQFP Package):

Ging problemlos. Die Zeit habe ich jetzt nicht gestoppt, aber ich würde tippen, dass es so 20-40 Sekunden waren bis ich den Chip abheben konnte.

Fazit

Alles in Allem bin ich positiv überrascht. Der Fön funktioniert ordentlich und bietet für den Preis wirklich einiges. Wenn Ihr professionell Laptops repariert ist er sicher nicht die richtige Wahl, aber für den Hobbybereich durchaus brauchbar – v.a. wenn man wenig Platz hat und/oder eine mobile Lösung braucht.